Leider sitzt die Autobranche in Deutschland in den Nesseln … Die Folgen treffen uns alle! Die Autoindustrie war stets der starke und zuverlässige Wachstumsmotor und Garant für Arbeitsplätze, Wohlstand und Innovation in Deutschland und Europa. Nun droht sie am eigenen Erfolg zu ersticken: überall zu viele Autos, ständig längere Staus, Luftverschmutzung, Lärm (siehe „Kein Vorankommen im Verkehr“ Link): … Hinzu kommt, dass die Digitalisierung und neue Technologien wie die Elektrifizierung und das autonome Fahren die Automobilindustrie weltweit verändern und Umsätze nicht länger durch den Verkauf von Hardware, sondern das Anbieten von Dienstleistungen generiert werden (siehe „Service Shift“, Link). Die Bundesregierung und der Bundestag greifen wichtigen Beteiligten unter die Arme, um schneller digitale Lösungen für ein neues, leistungsfähigeres Mobilitätssystem zu entwickeln.
Nachhaltig mobil
Diese Unterstützung seitens der Politik ist darauf zurückzuführen, dass die Meilensteine für das Erreichen der Klimaziele für die Energiewende 2050 schon ihre Schatten voraus werfen (Link). Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung soll Deutschland in eine treibhausgasneutrale Zukunft führen (New York Times 2019) und die Industrie wie auch die Forschung und Entwicklung in diversen Bereichen finanziell und tatkräftig unterstützen (Link).
Abbildung 1: Sechs NPM-Arbeitsgruppen (Link)
Wohin soll die Reise gehen? Die NPM weiß Rat
2018 rief das Kabinett um Kanzlerin Angela Merkel die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) ins Leben (Link). Unter der Führung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ist es Aufgabe der NPM, den Wandel zu einer besseren, nachhaltigeren und bezahlbaren Mobilität zu ermöglichen und dabei die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und die Kultur Deutschlands zu wahren und zu berücksichtigen. Gemeinsam mit den am meisten betroffenen, einflussreichsten und innovativsten Akteuren des Landes wie Autobauern, Gewerkschaften, F&E-Experten und Verbraucherschutzbehörden soll die NPM Empfehlungen für Entscheidungsträger erarbeiten (NPM 2019). Den Vorsitz des Leitungsgremiums – der sog. Lenkungskreis – hat Prof. Dr. Henning Kagermann inne, er ist Physiker, saß im Vorstand und führte Geschäftsbereiche der SAP AG und kann als Veteran früherer Initiativen des Bundes wie Elektromobilität und Industrie 4.0 bezeichnet werden (BMWi, Link). Auch die Deutsche Telekom AG ist in Person von Adel Al-Saleh, Mitglied des Vorstands und CEO von T-Systems,(Link) und Petra Steffi Kreusel, Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Telekom AG beteiligt(Link). Damit die ehrgeizigen Ziele erreicht werden können, teilt sich die NPM in sechs Arbeitsgruppen (AGs) auf (siehe Abbildung 1).
Abbildung 2 (von links nach rechts): Herr Auer der Hamburger Hochbahn, Prof. Dr. Kagermann und Bundesminister Scheuer bei der Zeremonie zum Start von RealLabHH im BMVI in Berlin
Arbeitsgruppe 3: Digitalisierung
Unser Team vom Telekom Data Intelligence Hub ist in AG 3 involviert, die von Klaus Fröhlich, Vorstandsmitglied der BMW AG geleitet wird (er wird im Sommer von seinen Vorstandsposten aufgeben, den dann Frank Weber übernimmt). Genauer gesagt leisteten wir unseren Beitrag in einer Untergruppe der AG 3 zu Daten und künstlicher Intelligenz unter der Leitung von Niklas Veltkamp, Mitglied der Geschäftsleitung bei Bitkom, dem Digitalverband Deutschlands, der gut 2700 Unternehmen vertritt (Bitkom, Link). Zu unseren wichtigsten Beiträgen zählten Konzepte zur Interoperabilität von Daten mit Datensouveränität für äußerst datenabhängige Services wie die intermodale Mobilität, bei der verschiedene Mobilitätskonzepte für einen nahtlosen Transfer von A nach B in etwa so miteinander verknüpft werden: Mit dem Auto zu einem Park-and-Ride-Parkplatz – in den ÖPNV – aussteigen – mit dem nächsten E-Scooter bis zum Büro.
Labor und Sandbox in Echtzeit: Genug geschrieben, jetzt heißt es handeln
Als erfolgreicheFührungskraft in der Fahrzeugenzwicklung weiß Herr Fröhlich, was für die Entwicklung eines Spitzenproduktes nötig ist: Konzepte zu Papier zu bringen, reicht da nicht aus. Man muss rausgehen, Ideen ausprobieren, Prototypen bauen und in der echten Welt unter realen Bedingungen testen. Deswegen hat er das initiiert, was später das RealLabHH werden sollte. Dabei handelt es sich um ein Labor und eine „Sandbox“ für die ersten Handlungsempfehlungen der NPM (BMWi, link), das in Hamburg unter der Führung der Hamburger Hochbahn und ihrem Vorstandsvorsitzenden Henrik Falk zu Hause sein wird (Link). Hamburg ist als pulsierendes Zentrum der Innovation in der Mobilität eine exzellente Wahl und richtet zudem 2021 den ITS-Weltkongress aus, die weltgrößte Veranstaltung zu intelligenter Mobilität und der Digitalisierung des Verkehrs (Link).
Abbildung 3 (von links nach rechts): Aldis Kundrats (Deutsche Bahn), Dr. Christoph Ploß (CDU MdB), Prof. Dr. Chris Langdon (Deutsche Telekom), Bundesminister Andreas Scheuer, Philip Fürmann (moovel), Tino Baumann (Urban Software Institute), BMVI/Deckbar, Berlin
RealLabHH: Prototypen und Ergebnisse für den ITS-Weltkongress 2021
Laut dem Bundesverkehrsminister können führende deutsche Unternehmen mit den Möglichkeiten des RealLabHH „den Digitalisierungsschub für unsere Mobilität nutzen und innovative neue Angebote für die Menschen erlebbar machen[,] dabei wertvolle Erkenntnisse durch die parallele Erprobung vielfältiger intelligenter Mobilitätslösungen [gewinnen] und so einen Beitrag für den Klimaschutz leisten.“ (Bundesminister Scheuer, Link). Dr. Christoph Ploß (Bundestagsabgeordneter der CDU) stimmt zu: „Mithilfe digitaler Mobilitätslösungen sorgen wir für eine wesentliche Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs in Hamburg und steigern dabei sogar noch seine Attraktivität“ (Bild 2020). Die Ergebnisse sollen auf dem ITS-Weltkongress 2021 in Hamburg vorgestellt werden.
Abbildung 4: Projektportfolio von RealLabHH, BMVI/Deckbar (Telekom Projekte eingekreist)
Die Telekom: Für eine neue, sichere Mobilität
Der Beitrag der Deutschen Telekom zum RealLabHH umfasst Technologie, Datenanalyse und fachliche Kompetenzen auf dem Gebiet der Systemintegration, um neue Mobilitätskonzepte zu ermöglichen. Diese schützen sowohl weniger geschützte Verkehrsteilnehmer als auch Datenrechte. Petra Steffi Kreusel und Prof. Dr. Christoph Schlueter Langdon waren für das Anwendungspaket und die Koordination mit dem Bundesverkehrsministerium zuständig. Im Einzelnen wird die Telekom drei Module beitragen:
- „Verknüpfung weniger geschützter Verkehrsteilnehmer“, organisiert von Dr. Johannes Springer und geleitet von Peter Christ, beides Experten für 5G und autonomes Fahren in der Digital Division von T-Systems. Dieses Modul entwickelt eine Serviceplattform für Edge Computing, die gemeinsam mit den Partnern BMW, Continental und Fraunhofer Fokus Leben im Straßenverkehr retten soll. Über die Plattform werden verschiedene Infrastrukturelemente wie Ampeln und Andreaskreuze an Bahnübergängen miteinander verknüpft, die so zum Schutz besonders schutzbedürftiger Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer beitragen sollen. Dieses Thema hat nach der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Zunahme des Radverkehrs in Städten noch deutlich an Bedeutung gewonnen.
- „Dateninteraktion und -souveränität”, organisiert vom Team des Telekom Data Intelligence Hub und geleitet von Prof. Dr. Christoph Schlueter Langdon. Gemeinsam mit dem Urban Software Institute (Link) möchte das DIH-Team demonstrieren, wie neue Datenstandards die Interoperabilität von Daten und somit neue Mobilitätsangebote ermöglichen können. Im Einzelnen wird DIH einen „IDS-fähigen“ Connector bereitstellen, der auf dem IDS-Referenz-Architekturmodell (Otto et al 2019b) der International Dataspace Association (IDSA) beruht und den Peer-to-Peer-Datenaustausch vereinigter Datenräume ermöglicht, damit die Datenrechte geschützt werden können (siehe „Implementing IDS“,Link)
- „Daten-Cockpit“: Der Telekom DIH übernimmt mit seiner Plattform und seinen Komponenten die Datenverarbeitung und -analyse für das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Link) im Rahmen der Vorstellung der Gesamtergebnisse des Reallabors. Zu den Komponenten zählen unter anderem der Analytics-Workspace des DIH und Funktionalitäten für den Datenaustausch.
Das DIH-Team ist bekannt für ihr tiefes Know-how in der Mobilitätsanalysec und hat Erfahrung bei der Simulation von intermodalen Transport (siehe „Kein Vorankommen im Verkehr“, Link). Nun bietet das RealLabHH eine Möglichkeit zur Erprobung im wahren Leben, mit echten Menschen und echten Partnern wie u.a, der Hamburger Hochbahn. Wird es funktionieren? Erste Ansätze zum Beantworten dieser Frage finden sich in unserem Beitrag über intermodale Szenarien in unserer „Matrix“ oder Berlin Digital Twin: Link
Quellen
Arndt, M. 2020. 21 Millionen für besseren Verkehr. Bild, (July 15), link
IDSA Blog. 2019. Implementing IDS (October), link
Eddy, M. 2019. Germany Passes Climate-Protection Law to Ensure 2030 Goals. The New York Times (November 15), link
NPM, National Platform Future of Mobility. 2019. Progress report 2019 (December), link
Schlueter Langdon, C. 2018. The Auto Service Shift and 7 Gaps. Working Paper, MGT 317 Smart Products, Peter Drucker School of Management, Claremont Graduate University, LA county, link
Schlueter Langdon, C. 2020. Quantifying intermodal mobility: A parsimonious model and simulation. Working Paper (WP_DCL-Drucker-CGU_2020-06), Drucker Customer Lab, Drucker School of Management, Claremont Graduate University, Claremont, CA, link
Otto, B., S. Steinbuß, A. Teuscher, and S. Lohmann. 2019b. Reference Architecture Model Version 3.0. International Dataspaces Association (April), Dortmund