Besser, schneller, günstiger: Der integrierte öffentliche Personenverkehr

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Multimodale Angebote entstehen in Form von Mikromobilität

Es dauert immer länger, von A nach B zu kommen, und besonders die Städte leiden darunter. Eine Verlagerung des Individualverkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel und nachhaltigere Verkehrsträger würde helfen. Dies muss die Digitalisierung oder datengesteuerte und "intelligente" oder bedarfsorientierte Lösungen beinhalten. Sie müssen einen besseren Service zu niedrigeren Kosten bieten. Im Bereich der Mobilität haben wir bereits zwei Wellen von Pionieren erlebt. Die erste Welle waren Uber und Lyft mit Ride-Hailing- und Ride-Pooling-Diensten. Die zweite Welle kam in Form von Mikromobilität wie gemeinsam genutzten Fahrrädern und Elektrorollern auf. Die Zahlen sprechen für sich: Die Zahl der gemeinsam genutzten Fahrräder, E-Bikes und Elektroroller ist zwischen 2018 und 2019 um mehr als 60 % auf 136 Millionen Fahrten gestiegen (NATCO 2020).

Auch erste Aggregatoren sind entstanden, zum Beispiel mit Angeboten in den beiden größten deutschen Städten. In Berlin bieten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) nun Jelbi an, in Hamburg hat die Hamburger Hochbahn (HHA) Switch eingeführt. Wo liegt also das Problem bei der Integration des öffentlichen Verkehrs in eine intermodale Reisekette? Liegt es am mangelnden Nutzwert?

 

Wo hat der öffentliche Verkehr seine Probleme?

Der ÖPNV ist aufgrund seiner Rolle als Versorger und öffentliches Gut, sowie seiner Größe und Umweltfreundlichkeit sehr wichtig. Das Problem ist, dass der öffentliche Verkehr für seine Verluste berüchtigt ist, was neue Initiativen und Innovationen einschränkt. Die Steuerzahler müssen den öffentlichen Verkehr finanzieren, und selbst höhere Ticketpreise für die Bürger haben die Defizite nicht beseitigt (siehe Kosten und Leistung in "Stuck in Traffic", Link). Die Integration der Mikromobilität könnte dazu beitragen, die öffentlichen Verkehrsdienste und ihre Wirtschaftsmodelle zu verbessern, da sie von einem Zuwachs an Kunden und Geschäften profitieren würden.

 

Warum ist Mikromobilität eine gute Sache?

Die Städte sind übersät mit Fahrrädern/E-Bikes, E-Mopeds und Elektroscootern. Sie sind ohne öffentliche Mittel entstanden, um "virtuelle" Dienstleistungsnetze unter Nutzung des vorhandenen öffentlichen Raums aufzubauen. Viele Experten unterstützen die Mikromobilität, weil sie "Busse und Bahnen für die verbleibenden Kilometer bis zum Ziel perfekt ergänzen kann. Das macht den öffentlichen Nahverkehr attraktiver und kann Autofahrten reduzieren" (Achim Berg, Präsident des größten Digitalverbands Bitkom, Bitkom 2019). Uber hat gezeigt, wie die Wiederverwendung vorhandener Ressourcen zu einem kostengünstigeren Angebot mit einem Win-Win-Szenario für alle Beteiligten führen kann: die Fahrzeugbesitzer, die Kunden und eine neue dritte Partei, Uber. Intermodal ist nicht nur billiger und besser, sondern vor allem auch schneller, denn beim Reisen geht es in erster Linie darum, von A nach B zu kommen.

 

Kann Mikromobilität eine monomodale Autofahrt beschleunigen?

Eine Ausnahme bildet ein quantitativer Test eines einfachen intermodalen Modells in der Stadt Berlin, der einen Geschwindigkeitsvorteil von mehr als 10-20 % für den täglichen Arbeitsweg zeigt. Abbildung 1 zeigt, wie das einfache Modell eine Fahrt von Punkt A nach Punkt B in die drei Segmente der ersten Etappe, der Etappe in der Nähe von B und der letzten Etappe unterteilt (für Details siehe Schlueter Langdon 2020). Es zeigt auch die Wahl des Basisszenarios, S0, und wie es sich in zwei Schritten in Richtung intermodaler und "intelligenterer" Szenarien weiterentwickelt. Erstens war der intermodale Verkehr schneller, und zweitens war die Geschwindigkeit umso höher, je intelligenter die Lösung war. S2 ist ca. 10 % schneller, während S3 20 % Reisezeit einspart (für eine detaillierte Diskussion der Ergebnisse sowie der Szenarioeinstellungen und der Wahl der Parameter siehe Schlueter Langdon & Tuescher 2020, Link; Tuescher 2019).

 

Fig1

 

Kann Mikromobilität auch in Hamburg die Reisezeit verkürzen?

Die Frage ist: Kann ein integrierter ÖPNV die Reisezeit verkürzen? Da es kein intermodales Mobilitätsangebot gibt, können wir auf eine Simulation zurückgreifen (siehe unseren kurzen "Überblick über die Simulation in der Wirtschaft", Link; Schlueter Langdon 2014, 2005). Die Auswahl der alternativen Szenarien wird in der deutschen Stadt Hamburg erkannt und initiiert. Hamburg hat sich verpflichtet, eine modellhafte Verlagerung vom Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr, das Fahrrad und den Fußverkehr voranzutreiben. Diese Veränderungen erfordern, dass der öffentliche Verkehr die Attraktivität des privaten Pkw für die städtische Mobilität erreicht und übertrifft. Dies hat Auswirkungen auf alle Aspekte des öffentlichen Verkehrsangebots, wie Verfügbarkeit, Qualität und Komfort. Im Jahr 2019 bietet die Hamburger Hochbahn AG (HHA) im Rahmen eines Pilotprojekts bis zu 100 Elektroroller an den Haltestellen "U-Berne" und "S-Poppenbüttel" an. Dieses Beispiel unterstreicht, wie Mikromobilität die Reisezeit effektiv verkürzen und den öffentlichen Verkehr ergänzen kann.

 

Intelligente Szenarien für Verkehrsverlagerung

Wir beginnen mit dem gleichen Drei-Segmente-Basisszenario S0: Der Fahrer fährt mit dem Auto von Punkt A nach Punkt B mit einem Umsteigepunkt in der Nähe von B, wo das Fahrzeug geparkt wird, und von wo aus die Reise zu Fuß fortgesetzt wird. Die Hinzufügung öffentlicher Verkehrsmittel erhöht die Komplexität erheblich und verdoppelt die Anzahl der Segmente auf sechs. In einem ersten Schritt, Szenario SPT1, wird der öffentliche Verkehr hinzugefügt (siehe Abbildung 1). Anstatt irgendwo in der Nähe von B zu fahren und einen Parkplatz in der Nähe zu suchen, parkt der Fahrer in der Nähe einer Haltestelle der öffentlichen Verkehrsmittel in der Nähe von A, um die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, um in die Nähe von B zu gelangen. Der nächste Evolutionsschritt spiegelt sich in Szenario SPT2 wider, bei dem eine nahtlose Fahrt von A nach B geschaffen wird. Zunächst wird das selbstorganisierte Parken in der Nähe des Knotenpunkts A (wir bezeichnen die Bahnhöfe als Knotenpunkte, um eine spätere Analyse und die Kompatibilität mit der Wirtschaftsliteratur zu erleichtern) durch "intelligentes Parken" ersetzt, dann wird die letzte Etappe von Knotenpunkt B nach B zu Fuß durch eine Mikromobilitätslösung, wie einen Elektroroller, ersetzt. In Szenario S3 werden Empfehlungen für intelligentes Parken mit Angeboten für Elektroroller verknüpft, um die Gehzeit für die letzte Etappe zu reduzieren. Die Szenarien SPT1 - SPT4 wurden bereits für Berlin durchgeführt; nun werden wir eine Teilmenge, die Hypothesen SPT1 und SPT4, in der Stadt Hamburg testen.

 

Fig2

 

Das Experiment mit dem Simulator in Hamburg

Unsere Szenarioeinstellungen wurden sorgfältig und transparent ausgewählt, um sicherzustellen, dass unsere Ergebnisse eine hohe Validität und Robustheit aufweisen. Basierend auf früheren Experimenten, wie z.B. unseren intermodalen Reisesimulationen mit dem digitalen Zwilling von Berlin, hat sich ein dreistufiger Best-Practice-Kalibrierungsansatz herauskristallisiert, um systematisch die wichtigsten Einstellungen für unsere Simulationsexperimente festzulegen (Schlueter Langdon & Oehrlein 2021, Schlueter Langdon & Tuescher 2020):

 

  1. a) Reiseanlässe (Arbeit, Haushaltsbesorgungen, Freizeit)
  2. b) Bereiche der Reise (Startpunkt A, Zielpunkt B - von Gebieten zu bestimmten Orten)
  3. c) Zeitpunkt der Reise (Wochentag, Tageszeit)

 

Reisegründe

Für dieses Experiment wurde der Begriff "Arbeit" gewählt, um den wichtigen Anwendungsfall des Pendelns einzubeziehen, d. h. die regelmäßig wiederkehrenden Fahrten zwischen dem Wohnort und dem Arbeits- oder Studienort.

 

Fig3#

 

Die Hamburger Reisegebiete

Die Start- und Endpunkte müssen sich an relevanten Orten befinden, an denen viele Menschen leben, Punkt A, und an denen viele zur Arbeit fahren, Punkt B. Anhand von Regierungsstatistiken haben wir die wichtigsten Gebiete ermittelt, in denen Menschen leben und arbeiten. Zunächst wählen wir Gebiete aus, eine Makroauswahl sozusagen. Dann bestimmen wir bestimmte Orte oder Adressen innerhalb dieser Gebiete, eine Mikroselektion. Die Simulation mit MATSim bestätigt eindeutig, dass die meisten Fahrten in Hamburg im Zentrum der Stadt enden.

Abbildung 5 bestätigt die Genauigkeit der MATSim-Simulation, da sie die MATSim-basierten Simulationsergebnisse mit den MID-Statistiken vergleicht, die sehr gut übereinstimmen. Ein weiterer Relevanzvergleich bestätigt, dass diese Bezirke durchschnittliche oder überdurchschnittliche Pkw-Besitzquoten aufweisen (362 Pkw pro 1.000 Einwohner, siehe Statistik Nord 2020, Link), so dass davon ausgegangen werden kann, dass viele Bürger in diesen Bezirken ihr privates Auto für Fahrten nutzen.

 

Fig4

 

Reisezeit

Drittens muss der Zeitpunkt festgelegt werden. Auch dies ist ein zweistufiger Prozess: erstens die Auswahl des Wochentags und zweitens die Entscheidung über die Tageszeit. Als Reisetag haben wir einen durchschnittlichen Werktag (Dienstag bis Donnerstag) gewählt. Um den Vorteil einer unserer alternativen Reiselösungen zu demonstrieren, wäre es am besten, die ungünstigsten Bedingungen zu wählen. Dies würde zeigen, dass eine Lösung, die zu den schlechtesten Zeiten funktioniert, auch jederzeit funktionieren sollte. Deshalb werden wir den Berufsverkehr wählen. Eine am Morgen, die andere am Nachmittag. Anhand des Diagramms haben wir für unsere Routenberechnungen eine Startzeit zwischen 7 und 8 Uhr morgens gewählt.

 

Fig5

 

Die Ergebnisse

Unsere Simulationsexperimente belegen in der Tat quantitativ, dass intermodales Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Reisezeit verkürzen und die Reisegeschwindigkeit insgesamt erhöhen kann. Die Hinzunahme "intelligenter" datengesteuerter Lösungen, wie z. B. Parkempfehlungen und die Bereitstellung von Elektrorollern an ÖPNV-Stationen (Vorladestationen), erhöht die Zeitersparnis um etwa 20 Minuten bzw. mehr als 30 % bis 40 %, je nach Strecke. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit unseren früheren Erkenntnissen, dass "intelligenter ist schneller" im Falle Berlins (siehe Abbildung 1). Die Zeitersparnis für das intelligenteste Szenario mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Berlin beträgt ca. 40 % (Schlueter Langdon & Oehrlein 2021) und ist damit doppelt so hoch wie die Ersparnis für das intelligenteste Szenario ohne öffentliche Verkehrsmittel, S3, in Abbildung 1 (Schlueter Langdon & Tuescher 2020). Nicht nur die Zeit ist wichtig, sondern auch die Kosten. Ohne vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte oder gesponserte Parkplätze können die Gebühren für öffentliche Parkplätze unerschwinglich sein. Das Parken Ihres Autos kann leicht 2,50 € bis 3 € pro Stunde kosten, wenn Sie vor historischen Bürogebäuden oder in einem großen Parkhaus parken. Natürlich nur, wenn es freie Plätze gibt. Hier kommt das "intelligente" Parken ins Spiel, das den Fahrer zu einem freien Platz führen kann. Ohne intelligentes Parken muss man zusätzlich um den Block fahren, was in der Nähe eines Außenstandorts schneller und damit billiger ist als in der Innenstadt. Die Zeit und die Kosten sind das Wichtigste, aber was ist mit dem Komfort? Öffentliche Verkehrsmittel haben einen doppelten Vorteil: Zum einen entlasten sie den Fahrer vom Stress, der mit dem Betrieb eines Fahrzeugs verbunden ist. Zum anderen wird Zeit gewonnen, die für angenehmere Tätigkeiten wie Lesen oder für produktive Tätigkeiten wie das Abarbeiten von E-Mails genutzt werden kann.

 

Fig6

 

Wichtige Erkenntnisse

Wenn es eine zentrale Erkenntnis aus unserer Simulation gibt, dann ist es die, dass ein System gewinnt. Das System als Ganzes ist besser als die Summe seiner Teile. Manche mögen sagen: "Ah! Ist das nicht offensichtlich?" Öffentliche Verkehrsmittel sind erschwinglich und eignen sich hervorragend für Fernreisen, aber der nächste Bahnhof ist für viele Menschen oft zu weit entfernt; Elektroroller sind zwar überall zu finden, aber das Fahren auf langen Strecken kann ermüdend sein und es besteht immer die Gefahr, nass zu werden. Als integriertes System, bei dem sich ein Teil mit dem anderen ergänzt, ist es eine gelungene Kombination. Ob es nun offensichtlich ist oder nicht, die unmittelbare Frage ist: Wer kümmert sich um das System, wer konzentriert sich auf die Optimierung des Systems im Gegensatz zu den einzelnen Teilen? Heute konzentriert sich der öffentliche Verkehr auf den öffentlichen Verkehr, und die Mikromobilität auf die Mikromobilität.

 

Wir haben sehr darauf geachtet, dass die Auswahl der Szenarien und Einstellungen sehr transparent ist. Wenn wir jedoch die Ergebnisse verfälschen wollten, könnten wir das mit dem Parken effektiv, elegant und frech tun, denn die Parktarife sind viel weniger transparent als zum Beispiel der Preis für ein U-Bahn-Ticket. Parkgebühren können in der urbanen Realität genutzt werden, um den wirtschaftlichen Vorteil von der Nutzung des Privatfahrzeugs auf den integrierten Verkehr zu verlagern. Wer eine Systemperspektive einnimmt (siehe "System schlägt Teile"), kann Ergebnisse wie die Verkehrsverlagerung leicht (effektiv, elegant und frech) mit Parktarifen beeinflussen.

 

Eine letzte wichtige Erkenntnis betrifft die Mobilitätsstationen - oder Knotenpunkte. Bislang scheint es, dass Marketingüberlegungen wie Bekanntheit und Beschilderung die Bemühungen um den richtigen Standort überwiegen. Es scheint, dass die Bedeutung des richtigen Standorts viel weniger offensichtlich ist. Und warum? Weil sie kaum irgendwo erwähnt wird (Schlueter Langdon & Oehrlein 2021). Wie kommt das? Darüber können wir an dieser Stelle nur spekulieren. Eine Erklärung hängt aber mit der fehlenden Systembetrachtung zusammen. Um Standorte für schnellere und dichtere Verkehrsströme zu optimieren, bedarf es einer Systembetrachtung, einer Betrachtung des gesamten Netzes und des Zusammenspiels der verschiedenen Umsteigeknoten.

 

Danksagung: Dieser Artikel wurde mit Unterstützung von Alan Jito während seiner Zeit als Dualer Student im Telekom Data Intelligence Hub verfasst.

 

Referenzen

  1. NATCO. 2020. 136 Million Trips in 2019. Shared Micromobility in the U.S.: 2019 (Summer), National Association of City Transportation Officials, New York, NY, link 
  2. Schlueter Langdon, C., and A. Bau. 2007b. Portal Economics and Business Models - Pitfalls, Lessons Learned and Outlook. In: Tatnall, A. (ed.). Encyclopedia of Portal Technologies and
    Applications. IGI Global: Hershey, PA; London: 719-723
  3. Schlueter Langdon, C., and A. Bau. 2007a. Portal Economics. Digital Interactive Channel
    Systems and Portals Structure and Economics. In: Tatnall, A. (ed.). Encyclopedia of Portal
    Technologies and Applications. IGI Global: Hershey, PA; London: 249-255 
  4. Schlueter Langdon, C., and B. Tuescher. 2020. Berlin digital twin: Yes, intermodal traffic is faster! Mobility Analytics Working Paper #5 (August), Deutsche Telekom Data Intelligence Hub, Bonn, link
  5. Schlueter Langdon, C., and N. Oehrlein. 2021. How much better is public transport with intermodal? Quantifying user benefits of integration with micromobility. Working Paper (WP_DCL-Drucker-CGU_2021-02), Drucker Customer Lab, Drucker School of Management, Claremont Graduate University, Claremont, CA
Chris S. Langdon
Chris S. Langdon

Business Lead, Data Analytics Executive, Catena-X Product Manager

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